Zur Rangordnung bei Hunden – Teil I

Zwischen Hunden, die zusammenleben, etabliert sich eine Rangordnung ähnlich der Rangordnung in einem Wolfsrudel. Über die Dynamik in dieser Rangordnung, welche Rolle Gewalt dabei spielt und was wir in Fachkreisen unter Dominanz verstehen, haben wir hier nach aktuellem wissenschaftlichen Stand zusammengefasst.

Rangordnung im Rudel

Hund und Wolf sind obligat soziale Tiere, d.h. sie benötigen ausreichend Kontakt zu adäquaten Sozialpartnern. Für ein reibungsloses Zusammenleben in einer Gruppe sind feste Regeln unerlässlich. Im Hunde- und im Wolfsrudel in freier Natur werden diese Regeln mittels einer Rangordnung festgelegt. Wer ranghoch ist, hat freien Zugang zu allen angenehmen Dingen, auch Ressourcen genannt. Als Ressource wird alles bezeichnet, was für den Hund erstrebenswert ist. Futter, Wasser, Aufmerksamkeit, Sozialpartner, bestimmte Liegeplätze, ein Territorium oder körperliche Unversehrtheit stellen Ressourcen dar. Eine feste Rangordnung verhindert, dass es bei der Aufteilung der Ressourcen wiederholt zu Auseinandersetzungen kommt. Das ranghohe Individuum verwaltet die Ressourcen. Es hat dadurch mehr Verantwortung aber auch mehr Stress. Wer nicht so hoch im Rang ist, muss sich zwar bei den Annehmlichkeiten hinten anstellen, kann sich aber ansonsten entspannt zurücklehnen, muss sich z.B. nicht um die Sicherheit der Gruppe sorgen. Die Rangordnung bestimmt, ähnlich wie eine Hausordnung, die Regeln des Miteinanders und ermöglicht allen Parteien ein entspanntes Zusammenleben. Konflikte werden innerhalb dieser Rangordnung mittels fein differenzierter ritualisierter Verhaltensweisen geklärt und ein Ernstkampf wird so vermieden. Für Wölfe in freier Natur ist diese Rangordnung überlebenswichtig sowohl zum Schutz des Individuums als auch zum Schutz der Gruppe. Auch unter Hunden etabliert sich eine vergleichbare Rangordnung, wenn auch mit weniger fein differenzierten Abhängigkeiten im Sozialgefüge.

Keine lineare Hierarchie

Die Rangordnung unter Wölfen und Hunden ist nicht linearer Struktur und sie besteht nicht aus starren Rangpositionen. Vielmehr besteht die Rangordnung aus der Gesamtheit der einzelnen Zweier-Beziehungen aller Mitglieder. Sie ist daher zeit- und situationsabhängig, kann sich folglich je nach Umweltbedingungen ändern.

Respekt statt Gewalt

Dabei ist sie vom Wesen her eine Respekthierarchie, keine Gewalthierarchie: Die Rangordnung lebt durch das unterwürfige Verhalten der Rangniederen, nicht durch das aggressive Verhalten des Ranghöchsten. Ein souveräner Rudelführer hat es gar nicht nötig, aggressives Verhalten zu provozieren und ständig seinen Rang zu demonstrieren. Dies wäre zum einen Energieverschwendung, zum anderen eine unnötige Herausforderung des Interaktionspartners. Auch ohne aggressives Verhalten zu zeigen, bestimmt das ranghohe Individuum das Verhalten der übrigen Rudelmitglieder am nachhaltigsten. Die übrigen Rudelmitglieder orientieren sich an ihm, da sich dieses für sie lohnt. Erhebt sich z.B. in einem Wolfsrudel der Leitwolf und geht zur Jagd, folgen ihm die übrigen Wölfe ohne dazu aufgefordert werden zu müssen.

Dies heißt jedoch nicht, dass Wölfe bzw. Hunde untereinander kein aggressives Verhalten zeigen. Ganz im Gegenteil – Aggressionsverhalten ist ein obligatorischer Teil des Sozialverhaltens. Bei einem Wechsel der Rangpositionen kann es auch zu ernsten Rangordnungskämpfen kommen. In einer etablierten Rangordnung sind es jedoch in erster Linie unsichere Individuen, die häufig aggressives Verhalten zeigen.

Rangordnung unter Hunden

Nicht bei jeder Begegnung unter Hunden bildet sich gleich eine Rangordnung aus. Nur unter Hunden, die zusammenleben oder täglich mehrfach für längere Zeit Kontakt haben, bildet sich im Laufe der Zeit eine Rangordnung. Diese Rangordnung ist nicht starr, sondern kann sich jederzeit Veränderungen anpassen.

Rudel, Alpha-Tier, Dominanz

Da diese Begriffe im Volksmund häufig falsch angewendet werden, werden ihre Bedeutungen im Folgenden erläutert.

Rudel

Ein Rudel besteht definitionsgemäß aus miteinander verwandten Tieren.  Ein Wolfsrudel besteht in der Regel aus einem Elternpaar und deren Nachwuchs. Hunde unterschiedlicher Herkunft bilden also, auch wenn sie dauerhaft zusammenleben, kein Rudel. Ebenso können Hund und Mensch kein Rudel bilden.

Alpha-Tier

Die Rolle des Alpha-Tieres definiert sich über sein Privileg der Fortpflanzung. Im Wolfsrudel ist es das ranghohe Pärchen, das sogenannte Alpha-Pärchen, das sich fortpflanzt. Ein Hundehalter kann also gegenüber seinem Hund nicht die Alpha-Position einnehmen.

Dominanz

Dominanz beschreibt keine Charaktereigenschaft. Es gibt folglich keinen dominanten Hund! Dominanz beschreibt eine Wechselbeziehung zwischen zwei Individuen und setzt sich zusammen aus der Summe der einzelnen Interaktionen. Ein Hund, der einen anderen Hund regelmäßig in seiner Bewegungsfreiheit einschränkt, zeigt dominantes Verhalten gegenüber dem anderen Hund. Dies wird jedoch erst dadurch möglich, dass der andere Hund dieses Verhalten toleriert. Dominantes Verhalten wird folglich bestimmt durch das subdominante Verhalten des Interaktionspartners. Eine Dominanz-Subdominanz-Beziehung etabliert sich im Laufe des Informationsaustausches zwischen zwei Individuen und kann daher nur zwischen sich wohl bekannten Individuen entstehen. Zudem ist sie, wie auch die Rangordnung, zeit- und situationsabhängig.

Der Begriff Dominanz wird insbesondere bei der Beschreibung von Problemen im Miteinander von Mensch und Hund häufig falsch verwendet. Ein Hund, der seinem Menschen häufig auf der Nase herum tanzt, macht dies nicht „aus Dominanz“. Hunde, die häufig ungehorsames oder aufmüpfiges Verhalten zeigen, tun dies in den meisten Fällen aufgrund mangelnder Impulskontrolle, sowie mangelnder Erziehung und fehlender Führung durch den Menschen.

Zur Rollenverteilung zwischen Hund und Mensch und inwiefern zwischen beiden eine Rangordnung besteht, lesen Sie im zweiten Teil dieses Artikels.

© Dunia Thiesen-Moussa

Name
Dr. med. vet. Dunia Thiesen-Moussa
Fachtierärztin für Tierverhalten, Zusatzbezeichnung Verhaltenstherapie
Über mich
Nach mehrjähriger Leitung der verhaltensmedizinischen Sprechstunde der Tierärztlichen Hochschule Hannover betreibe ich die Tierärztliche Praxis für Kleintierverhalten und die Hundeschule Kleintierverhalten.
Mein Motto
Wissen schützt Tiere
Tätigkeiten
Verhaltenstherapie, Hundetraining, Referententätigkeiten, Gutachterin in Wesenstests, Prüferin des D.O.Q.-Tests 2.0, Prüferin der Sachkundeprüfung nach §3 NHundG, Mitglied der Prüfungskommission zur Zertifizierung von Hundetrainern durch die Tierärztekammer Niedersachsen, externe Sachverständige für Fachgespräche zur Erlaubnispflicht nach §11 TierSchG

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