Meine Dissertation mit dem Titel „Entwicklung eines speziellen Ausbildungsprogramms für den polizeilichen Vernehmungsbegleithund“ fertigte ich von 2008 bis 2010 am Institut für Tierschutz und -verhalten (Heim-, Labortiere und Pferde) der Tierärztlichen Hochschule Hannover an. Die folgende Zusammenfassung gibt einen kurzen Überblick über die Resultate der Arbeit. Bei Interesse können Sie sich die gesamte Arbeit auf den Seiten der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover als .pdf herunterladen.
Zusammenfassung
In der vorliegenden Studie wurde ein spezielles Ausbildungsprogramm entwickelt, um angehende Vernehmungsbegleithunde gezielt auf den Einsatz in Vernehmungen missbrauchter Kinder und Jugendlicher vorzubereiten und so den opfer- und tierschutzgerechten Einsatz dieser Hunde zu gewährleisten. In diesem Einsatz sollen die Hunde den häufig traumatisierten Missbrauchsopfern seelische Unterstützung bieten.
In einer vorangegangenen Studie erstellte KNIPF (2008) ein Anforderungsprofil, sowie einen speziellen Eignungstest für den polizeilichen Vernehmungsbegleithund. Eigenschaften und Verhaltensweisen der Hunde in diesem Test wurden mittels eines Scoresystems bewertet. Erhielt ein Hund im Test ausschließlich Score 1- Wertungen, galt er als geeignet und damit als einsatzbereit. Sobald ein Hund in einer Testsituation mit Score 2 bewertet wurde, galt er als bedingt geeignet. Das von ihm gezeigte nicht erwünschte Verhalten kann und muss vor einem Einsatz durch Training behoben werden. Hunde, die mindestens einmal Score 3 erhielten, galten als nicht geeignet und waren damit von einem Einsatz ausgeschlossen. Ausgenommen hiervon waren Hunde, die lediglich in einer, bzw. bei zusammenhängenden Situationen auch in zwei Situationen Score 3 erhielten und dabei kein aggressives Verhalten zeigten. Sie galten in der Endwertung ebenfalls als bedingt geeignet. Im Rahmen dieser Studie wurden zusätzlich zu den 27 getesteten Hunden der vorangegangenen Studie 14 weitere Hunde diesem Eignungstest unterzogen. Keiner der insgesamt 41 getesteten Hunde erwies sich als uneingeschränkt geeignet. Elf Hunde wurden als bedingt geeignet bewertet und nahmen am Ausbildungsprogramm teil. Alle Hunde lebten in privater Haltung. Größtenteils handelte es sich um Hunde von Angehörigen der Polizei Niedersachsen. Das Ausbildungsprogramm begann mit der theoretischen Unterweisung der insgesamt acht Hundehalter zu Verhaltensontogenese und Ausdrucksverhalten des Hundes sowie den Grundzügen der Lerntheorie und deren Anwendung im Training der Hunde.
Die praktische Ausbildung der Hunde umfasste die Generalisierung bestehender Sozialisationserfahrungen, die Habituation an vernehmungsspezifische, wie auch alltägliche Umweltreize und die Gesamtsituation der Vernehmung, die latente Inhibition vernehmungsspezifischer Reize, die systematische Desensibilisierung und Gegenkonditionierung von Situationen, welche bei den Hunden unerwünschte Emotionen auslösten, die Verstärkung eines Alternativverhaltens zum Hochspringen bei großen Hunden, das Training des Grundgehorsams, sowie die Einführung von Aufmerksamkeitssignal, Abbruchsignal, Einsatzritual und Rückzugsmöglichkeit. Die Hunde wurden einzeln trainiert und es wurden, abhängig vom Verhalten des Hundes, individuelle Trainingsschwerpunkte gesetzt. Die Durchführung der praktischen Ausbildung musste sich aus polizeiinternen Gründen auf acht Ausbildungsstunden beschränken, die nach individueller Absprache mit den einzelnen Hundehaltern in ca. 14tägigen Abständen stattfanden. Nur zwei dieser Ausbildungsstunden fanden im testrelevanten Vernehmungszimmer statt. Da den Hundehaltern keinerlei dienstliche Unterstützung in der Durchführung des Trainings geboten wurde, unterlag das Training der Hunde keinen standardisierten Bedingungen.
Im Anschluss an die Ausbildung wurden die Hunde einem zweiten Eignungstest unterzogen. Hier wurde höchstgradig signifikant häufiger Score 1 vergeben.
In der Gehorsamsüberprüfung konnten deutliche Verbesserungen erzielt werden, die gegenüber der Testleitung signifikant waren. Im Hund-Mensch-Kontakt reagierten die Hunde in Situationen, in denen sie im ersten Test das Display Submission/ passive Demut zeigten, nun häufig mit einer sozialen Annäherung an die Testperson. Gegenüber speziellen Verhaltensweisen von Kindern, sowie im Hund-Umwelt-Kontakt wurde nun häufiger neutrales Verhalten und weniger Submissionsverhalten gezeigt. Insbesondere in Situationen, in denen keine Interaktion zwischen Testperson und Hund stattfand, fiel jedoch weiterhin die Unsicherheit der Hunde auf. Der Fluchtversuch von drei Hunden in der Situation Tür zeigt zudem nach wie vor eine Überlastung dieser Hunde durch die Vernehmungssituation.
Bei neun von zehn Hunden verbesserte sich das Testergebnis, bei vier Hunden war dieser Unterschied signifikant. Kein Hund zeigte jedoch in allen Testsituationen ausschließlich erwünschtes Verhalten und erwies sich als uneingeschränkt geeignet.
In den Ergebnissen der Ausbildung sowie des zweiten Eignungstests spiegeln sich die vorliegenden Trainingsbedingungen. Übungen, welche die Halter im Training zuhause der Anleitung entsprechend umsetzen konnten, zeigten große Fortschritte. Für eine Ausweitung der systematischen Desensibilisierung und Gegenkonditionierung auf fremde Personen, die Habituation an vernehmungsspezifische Reize und die Rahmenbedingungen der Vernehmung, sowie die Gewöhnung an das Alleinsein ohne Halter und die Kontaktaufnahme zu fremden Personen fehlten den Hundehaltern jedoch Trainingspartner und dem Einsatz entsprechende Räumlichkeiten. In diesen Situationen wurden nur geringe Fortschritte erzielt.
Da unter den gegebenen Rahmenbedingungen die Vernehmungssituation sowie die Trennung vom Halter nicht ausreichend trainiert werden konnten, wird empfohlen, bei agonistischem Verhalten, somit auch bei Fluchtverhalten, von einer Ausbildung des Hundes abzusehen.
Für eine erfolgreiche Umsetzung des Ausbildungsprogramms in Zusammenarbeit mit fachfremden Hundehaltern wird empfohlen, die fachliche Betreuung durch die Erhöhung der Ausbildungsstunden zu intensivieren und die nötigen Trainingsmöglichkeiten bereitzustellen. Hierzu müssen seitens der Polizei Trainingspersonen und Trainingsräumlichkeiten im Kontext des Einsatzes zur Verfügung gestellt werden. Die abschließende Evaluation, in der sieben von acht Hundehalter angaben, aus Zeitgründen sowie organisatorischen Schwierigkeiten das nötige Training nicht immer umgesetzt zu haben, untermauert die Forderung nach der Integration der Ausbildung des polizeilichen Vernehmungsbegleithundes in den polizeilichen Dienstplan.
Auch sollte der Vernehmungsbeamte, der den Hund im Einsatz begleiten wird, in das Training des Hundes integriert werden. Als vertraute Person kann der Beamte dem Hund in unbekannten und stressauslösenden Situationen Sicherheit vermitteln.
Dieser Effekt einer vertrauten Person könnte noch stärker genutzt, so die gesamte Ausbildung vereinfacht und der Einsatz für die Hunde erleichtert werden, wenn Hund und Halter gemeinsam Test, Ausbildung und auch Einsatz durchliefen.