Leinenrambo 2 – Leinen-Aggression beim Hund

Die schwierige Aufgabe bei der Therapie einer Leinen-Aggression ist die Suche nach der eigentlichen Ursache: Warum nimmt der Hund die Begegnung mit anderen Hunden überhaupt als Konflikt wahr? Denn die Konfliktursache bestimmt den Therapieweg. Lesen Sie, welche Konfliktursachen zu aggressivem Verhalten an der Leine führen kann und wie Sie als betroffener Halter damit umgehen können.

Ursachen für Leinen-Aggression

Konfliktursachen sind so vielfältig wie die Therapiewege: Angst, Sozialisations- und Kommunikationsdefizite, Frustration, eine angeborene hohe Erregungslage, alters- oder krankheitsbedingte organische Ursachen oder schlichtweg mangelnde Erziehung.

Ein Hund, der aus Frustration zum Leinenrambo wird, weil er aufgrund zunehmenden Alters neuerdings angeleint wird, ist ganz anders zu behandeln, als ein Hund, der aufgrund unangenehmer Erfahrungen ängstlich-aggressives Verhalten an der Leine zeigt. Während im ersten Fall durch das Training eines Alternativverhaltens direkt ein erwünschtes Verhalten des Hundes trainiert wird, ist es im zweiten Fall angezeigt, die Emotion des Hundes beim Anblick anderer Hunde zu verändern, um so die Ursache für das Problemverhalten zu beheben.

Kontakte vermeiden

Welche Therapie auch durchgeführt wird, in jedem Fall müssen zu Beginn der Therapie konfliktauslösende Kontakte an der Leine vermieden werden. Denn jede weitere aggressive Auseinandersetzung an der Leine festigt das unerwünschte Verhalten. Dies bedeutet für meine Patientin zunächst auch weiterhin den Begegnungen mit anderen Hunden auszuweichen, bis das Training so weit fortgeschritten ist, dass es während dieser Begegnungen durchgeführt werden kann.

Obwohl es zum guten Ton gehört, einen entgegenkommenden Hundehalter vor einer Kontaktaufnahme der Hunde um Erlaubnis zu bitten, so gibt es leider noch zu viele Hundehalter, die solche Höflichkeiten ignorieren. Besonders im Hinblick auf den Therapieerfolg kann das ununterbrochene Auffordern zum Abstandhalten zu einer echten Belastung werden.

Projekt „Gelber Hund“

Projekte wie die Initiative „Gelber Hund“ wollen dabei helfen, unerwünschte Kontakte zwischen Hunden zu vermeiden: Etwas Gelbes am Halsband oder an der Leine signalisiert dem Gegenüber, dass kein Kontakt erwünscht ist. Eine nützliches Signal – sofern es verstanden wird.

Verstärkung durch Halter

Außerdem muss meine Patientin darauf achten, das unerwünschte Verhalten des Hundes nicht selbst weiter zu verstärken. Dies bedeutet unter  anderem, dass sie den Hund nicht mehr durch verbalen Zuspruch zu beruhigen versucht. Da Hunde diese menschliche Verhaltensweise nicht nachvollziehen können, wirkt sanftes Zureden oder ein In-den-Arm-nehmen des Hundes nur verstärkend und steht damit dem Therapieerfolg im Wege. Ein Hund kann zwar die angespannte Stimmung des Halters wahrnehmen, aber er kann nicht verstehen, dass diese Anspannung ihn beruhigen soll. Dass Leinenrucken, Anschreien oder Nassspritzen eines ängstlichen Hundes ebenfalls keine konfliktlösende Wirkung auf den Hund hat, versteht sich von selbst.

Entspannt ans Trainingsziel

Kommt es doch zu einem unerwünschten Kontakt, sollte man ruhig bleiben und die Situation schnell und kommentarlos wieder verlassen. Meine Patientin hat schnell nachvollziehen können, dass Leinenrucken und verbales Beruhigen die Situation weder entschärft noch löst. Sie bleibt nun ruhig und geht in vergrößertem Abstand mit ihrem Hund weiter oder wechselt die Richtung. Sobald der Hund wieder ruhig geworden ist, lässt sie ihn ein einfaches Kommando ausführen, welches sie im Anschluss belohnen kann.

Während enge Kontakte an der Leine zunächst vermieden werden müssen, sind Kontakte im Freilauf mit anderen Hunden hingegen wichtig, um dem Bedürfnis des Hundes nach Kontakt mit Artgenossen gerecht zu werden. Hierzu sollten speziell bei ängstlichen Hunden sozialkompetente Hunde gewählt werden, die den eigenen Hund nicht unerwünscht bedrängen.

Grundsätzlich gilt für den Therapieverlauf: Je früher, desto besser. Denn je länger ein Problem besteht, desto länger lernt der Hund, eine Situation auf seine Art und Weise zu lösen. Und Gewohnheiten abzulegen fällt bekanntlich schwer. Allerdings stelle ich auch fest, dass Hunde ihre schlechten Gewohnheiten oft schneller ablegen als deren Halter. Letztendlich ist die konsequente und schrittweise Umsetzung des Therapieplans entscheidend für den Therapieerfolg.

Hilfe vom Profi

Meine Patientin kann inzwischen wieder sichtlich entspannt mit ihrem Hund spazieren gehen. Sie hat nach einigen Monaten Desensibilisierung und Gegenkonditionierung die Kontrolle über die Konfliktsituationen zurückerlangt und hat wieder Freude an den gemeinsamen Spaziergängen. Ihr Ex-Leinenrambo reagiert jetzt gelassen auf andere Hunde, obwohl er angeleint ist. Hund und Halterin zeigen sich in einem Kontrolltermin als eingespieltes Team, das an der Leine gelassen an anderen Hunden vorbei spaziert.

Ein leinenaggressiver Hund ist eine zermürbende Belastung. Aber es ist glücklicherweise ein Verhaltensproblem, das sich grundsätzlich lösen lässt. Stellen Sie sich der Herausforderung mit professioneller Unterstützung. Kompetente Ansprechpartner finden Sie z.B. bei einem auf Verhaltenstherapie spezialisierten Tierarzt oder einem von der Tierärztekammer zertifizierten Hundetrainer.

Hier geht es zu Teil 1 unserer Artikelserie „Leinenrambo – Leinen-Agression beim Hund“.

Dieser Artikel ist erschienen in der Zeitschrift „Leben mit Tieren“ (Ausgabe 6/2014).

© Dunia Thiesen-Moussa

Name
Dr. med. vet. Dunia Thiesen-Moussa
Fachtierärztin für Tierverhalten, Zusatzbezeichnung Verhaltenstherapie
Über mich
Nach mehrjähriger Leitung der verhaltensmedizinischen Sprechstunde der Tierärztlichen Hochschule Hannover betreibe ich die Tierärztliche Praxis für Kleintierverhalten und die Hundeschule Kleintierverhalten.
Mein Motto
Wissen schützt Tiere
Tätigkeiten
Verhaltenstherapie, Hundetraining, Referententätigkeiten, Gutachterin in Wesenstests, Prüferin des D.O.Q.-Tests 2.0, Prüferin der Sachkundeprüfung nach §3 NHundG, Mitglied der Prüfungskommission zur Zertifizierung von Hundetrainern durch die Tierärztekammer Niedersachsen, externe Sachverständige für Fachgespräche zur Erlaubnispflicht nach §11 TierSchG

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