Zur Rangordnung bei Hunden – Teil II

Etabliert sich eigentlich eine Rangordnung auch zwischen Hund und Halter? Und was kann der Halter tun, um Diese seinen Vorstellungen entsprechend zu gestalten? Nach den grundsätzlichen Erläuterungen zur Rangordnung bei Hunden in Teil I beschäftigt sich Teil II mit der Rollenverteilung zwischen Hund und Mensch.

Hier geht´s zu Teil I: Erläuterungen zur Rangordnung bei Hunden in Teil I.

Rollenverteilung zwischen Hund und Mensch

Die Beobachtungen der Rudelstrukturen an Wölfen lässt sich nicht eins zu eins auf unsere Haushunde übertragen und schon gar nicht auf das Miteinander von Mensch und Hund. So zeigen Wölfe viel feiner differenzierte Abhängigkeiten im Ranggefüge und viel feiner differenzierte Kommunikation, wohingegen Hunde relativ vereinfachte soziale Strukturen aufweisen, die eher einem sozialen Miteinander in Kleingruppen mit dem Menschen entsprechen.

Zwischen Hund und Mensch etabliert sich keine Rangordnung wie in einem Wolfsrudel, aber auch hier existieren gewisse Abhängigkeiten im Sozialgefüge, die sich aus der Kontrolle über die Ressourcen ergeben. Auch hier ist die Position des „Rudelführers“ gekennzeichnet durch das Verwalten der Ressourcen. Wer freien Zugang zu Futter, begehrten Liegeplätzen und Spielzeug hat, oder jederzeit die Aufmerksamkeit des Sozialpartners einfordern kann, ist aus Hundesicht ranghoch. Auch zwischen Hund und Mensch hat die Position des „Rudelführers“ nichts zu tun mit dem Einsatz körperlicher Gewalt. Im Gegenteil – auch hier handelt es sich um eine Respekthierarchie. Auf den Ranghöchsten ist Verlass. Er ist selbstsicher und hat es gar nicht nötig, ständig aggressives Verhalten zu nutzen, um erfolgreich zu sein. Ein Individuum, das häufig aggressive Verhaltensweisen zeigt, erweist sich als unsicher und stellt seine Position somit in Frage. Auf die Erläuterung des häufig missbrauchten Begriffes Dominanz im ersten Teil des Artikels sei an dieser Stelle verwiesen.

Der Ressourcenzugang bestimmt den Rang

Durch die Kontrolle über die Ressourcen sowie deren Einsatz als Belohnung für erwünschtes Verhalten kann der Halter dem Hund ganz einfach seinen Rang zuordnen. Indem der Hund sich Futter, Spielzeug, Aufmerksamkeit, Sozialkontakt, bestimmte Liegeplätze und andere Annehmlichkeiten verdienen muss, lernt der Hund, auf seinen Halter zu achten, bei dem er sich den Zugang zu den Ressourcen erarbeiten kann. Alles Angenehme, das der Hund erreichen möchte, kann der Halter als Gegenleistung für erwünschtes Verhalten zuteilen, z.B. indem der Hund sich hinsetzen muss, bevor er an den gefüllten Futternapf gelangt, oder indem er Blickkontakt zum Halter aufnehmen muss, bevor Dieser dem Hund erlaubt, auf einen anderen Hund zuzulaufen. So lernt der Hund ganz selbstverständlich, sich an seinem Halter zu orientieren.

Die Rollenverteilung etablieren

Neben diesen grundlegenden Regeln zur Ausbildung einer Rangordnung zwischen Hund und Mensch sind auch Grundkenntnisse in den Bereichen Lernverhalten, Ausdrucksverhalten und über die Verwaltung von Ressourcen essentiell zur Einnahme der Position des Ranghöchsten.

Lernverhalten

Der Hund lernt am Besten, wenn die lerntheoretischen Grundregeln berücksichtigt werden. Bei falschem Timing der Belohnung oder der Strafe wird die Situation vom Hund eventuell ganz anders wahrgenommen als vom Halter beabsichtigt! Zudem gilt es stets für den individuellen Hund festzustellen, was Dieser als Belohnung oder Strafe empfindet. Tatsächlich bestehen aufgrund mangelnden Wissens zum Lernverhalten häufig große Diskrepanzen zwischen dem, was der Halter dem Hund lehren möchte und dem, was der Hund letztlich tatsächlich lernt.

Ausdrucksverhalten

Ebenso helfen Grundkenntnisse zum Ausdrucksverhalten des Hundes, um das Verhalten des Hundes korrekt einschätzen zu können und selber z.B. unbewusstes Bedrohen eines ängstlichen Hundes durch Tätscheln auf den Kopf oder durch Beugen über den Hund zu vermeiden. Denn: Der Chef erhält seine Position durch Souveränität und nicht durch kontinuierliches Bedrohen.

Wertigkeit von Ressourcen

Nicht jede Ressource besitzt für jeden Hund die gleiche Bedeutung.

Eine ganz entscheidende Rolle bei der Verwaltung der Ressourcen spielt die Ressource Aufmerksamkeit. Kann der Hund durch Kontaktaufnahme jederzeit die Aufmerksamkeit seines Halters erlangen, ist es der Hund, der das soziale Miteinander bestimmt. Ein souveräner „Rudelführer“ schenkt dem Hund nicht jedes Mal auf Aufforderung seine Aufmerksamkeit. Stattdessen ignoriert er aufdringliches Verhalten des Hundes und wählt die Zeiten selbst, zu denen er Interaktionen mit dem Hund startet.

Wer zuerst durch die Tür geht, wer vor wem läuft oder wer zuerst sein Essen/ Futter bekommt, muss jedoch nicht zwingend etwas über die Rollenverteilung aussagen. Es ist stets die Summe der Interaktionen, die über das Beziehungsgeflecht entscheidet. Auch der Ranghohe kann Ressourcen abtreten. Ebenso kann ein rangniederes Individuum eine als bedeutend empfundene Ressource aggressiv verteidigen ohne den Rang des Gegenübers grundsätzlich in Frage zu stellen.

Sicherheit schafft Vertrauen

Der Drang, sozial expansives Verhalten zu zeigen und in der Rangfolge aufzusteigen, ist individuell unterschiedlich ausgeprägt. Den meisten Hunden fällt es leicht, sich in eine rangniedere Position einzugliedern. Für den Menschen mag es ungewohnt erscheinen – für die meisten Hunde aber ist es angenehm, sich am Menschen orientieren zu können. Ein Halter, der feste Strukturen vorgibt und diese konsequent einhält, gibt dem Hund Sicherheit. Mangelt es hingegen an festen Regeln, verhält sich der Mensch aus Hundesicht unberechenbar. Stehen dem Hund zudem als wichtig empfundene Ressourcen zur freien Verfügung, macht der Mensch es dem Hund unmöglich, sich an ihm zu orientieren, und für den Hund ist im Alltag nichts mehr vorhersehbar. Der Hund wird seine Sicherheit nun selbst in die Hand nehmen und beginnen, Grenzen auszutesten.

Je nach Veranlagung des Hundes kann dies dazu führen, dass er unsicher und ängstlich wird, oder dass er sich selber zum „Rudelführer“ ernennt und aggressiv reagiert, sobald der Mensch Verhalten zeigt, welches seinem Rang aus Hundesicht nicht zusteht. Dies kann z.B. eine ranganmaßende Gesten sein oder das Beanspruchen einer Ressource, die ihm aus Sicht des Hundes nicht zusteht.

Wir sehen also, das Unvermögen der Halter, die Position des „Rudelführers“ einzunehmen, führt zu einer Vielzahl von unerwünschten Verhaltensweisen beim Hund. In der Verhaltenspraxis begegnen mir beispielsweise Halter, die nicht mehr in Anwesenheit Ihres Hundes essen können oder Ihr Bett nicht mehr benutzen dürfen.

Werden die Regeln für das soziale Miteinander verständlich und konsequent eingehalten, fällt es dem Hund leicht, dem Halter zu vertrauen – und Sie legen die Basis für eine gute Bindung zwischen Ihrem Hund und Ihnen!

© Dunia Thiesen-Moussa

Name
Dr. med. vet. Dunia Thiesen-Moussa
Fachtierärztin für Tierverhalten, Zusatzbezeichnung Verhaltenstherapie
Über mich
Nach mehrjähriger Leitung der verhaltensmedizinischen Sprechstunde der Tierärztlichen Hochschule Hannover betreibe ich die Tierärztliche Praxis für Kleintierverhalten und die Hundeschule Kleintierverhalten.
Mein Motto
Wissen schützt Tiere
Tätigkeiten
Verhaltenstherapie, Hundetraining, Referententätigkeiten, Gutachterin in Wesenstests, Prüferin des D.O.Q.-Tests 2.0, Prüferin der Sachkundeprüfung nach §3 NHundG, Mitglied der Prüfungskommission zur Zertifizierung von Hundetrainern durch die Tierärztekammer Niedersachsen, externe Sachverständige für Fachgespräche zur Erlaubnispflicht nach §11 TierSchG

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